
Dass das 50-jährige Jubiläum unseres „Neubaus“ noch gefeiert wird, ist eher unwahrscheinlich. Abgeschlossen und nahezu vergessen steht er noch am Rande des Schulhofes, aber seine Tage sind gezählt.
36 Jahre lang war der “Neubau” mein Unterrichtsgebäude. Ungezählte Unterrichtsstunden in den beiden Bioräumen, jahrelang als Fachleiter verantwortlich für die Biosammlung, Wächter über die “Klaus-Neumann-Gedächtnis-Schublade”, die der Kollege Dr. Neumann vermutlich bei der Einweihung des Gebäudes mit allen für die Fachschaftsorganisation nötigen Utensilien ausgestattet hatte, die ich erbte und weiter nutzen durfte.
Wie lange ist das schon her?! Für die heutigen Schüler und Lehrer wohl ewig, für mich doch irgendwie noch gestern.
1976 war es, als der Neubau eingeweiht wurde, also fast vor 50 Jahren. Ein typischer Bau der Zeit, aus Betonsäulen und dazwischen gehängten Flächen. Ein bisschen wie Lego. Praktisch, weil die Wände austauschbar waren, was letztlich aber wohl nur einmal genutzt wurde. In weiteren 50 Jahren würde er unter Denkmalschutz stehen, aber dann wird er nicht mehr existieren.
1976 lag die Erinnerung an meine eigene Schulzeit gerade mal vier Jahre zurück. Da hatte mein Flensburger Gymnasium schon ein paar Jahre seinen Neubau. Aber die Situation dürfte ähnlich gewesen sein: alte Gebäude, rasch zunehmende Schülerzahlen, kleine überfüllte Klassenräume, fehlende Lehrkräfte, dazu eine Vielzahl neuer Ideen, wie Unterricht zeitgemäßer werden könnte. Zeiten ändern sich, die Probleme bleiben die gleichen.

In meiner Schulzeit in Flensburg gab es “Wanderklassen”, die zeitweise zum Unterricht in eine alte Kasserne wandern mussten, in Plön gab es den Pavillon auf dem Schlossgelände, ein Einfachbau mit zwei Klassenräumen und Dorfschul-Atmosphäre. Er hatte als erster Neubau neben dem Uhrenhaus Platz gefunden. Zwei 5. Klassen hatten hier ihren Unterricht ungestört vom eigentlichen Schulalltag. Eine wunderbar entspannte Enklave, in der die Schüler die Glocke zum Unterrichtsbeginn selbst läuteten.
Diese Enge sollte der Neubau endlich beheben. Gleichzeitig sollte er den Fachunterricht modernisieren: Biologie, Chemie, Physik sowie Kunst und Musik fanden hier besonders eingerichtete Räume mit viel Licht, Technik und Platz für Sammlungen, ein echter Fortschritt. Nur das hypermoderne Sprachlabor war, als ich 8 Jahre später an die Schule kam, bereits Geschichte. Innovationen führen nicht zwangsläufig zum Erfolg.
Ich habe meinen Neubau immer gemocht, nicht besonders schön, aber viel zweckmäßiger als die kleinen Klassenräume im Altbau mit ihren hohen Decken. Ein bisschen hat er sich gewandelt im Laufe der Zeiten: Asbestsanierung, Notfalltreppe außen und ein ökologisches Gründach fallen mir ein, und die Netzanlage auf dem Gründach, weil es zu ökologisch wurde, als die Mövern dort zu brüten begannen. Wie gut hätte man stattdessen im Rahmen des Biounterrichts Mövenbeobachtung betreiben können. Aber wenn sich die Nachbarn beklagen, reagiert die Behörde sofort.
Anfang des Jahrtausend gab es dann teilweise neue Möblierungen. In diesem Rahmen wurde vermutlich zum einzigen Mal das Konzept mit den flexiblen Wänden genutzt. In der Biologie ließ ich ein paar Wände verschieben, was einen kleinen Schülerarbeitsraum brachte und für die Biolehrer einen traumhaften Blick auf Wald und See.
Aus der Anfangszeit des Neubaus haben bis heute ein paar Schätze überlebt: Das große Wandgemälde vor der Biologie, auf dem Schüler zusammen mit Dr. Neumann die Stufen der Evolution akribisch dargestellt haben, die große Baumscheibe mit ihren Jahresringen und vermutlich die Zeichnungen in den beiden Schaukästen im EG-Flur mit dem eindrucksvollen Bild von Peter Bocks Konfirmation.
Das Bild der Evolution wird wohl leider eine Sackgasse der Evolution sein und weggebaggert werden. Die Baumscheibe wird hoffentlich doch noch ein Blickpunkt in den Fluren des neuen Fachgebäudes werden und das Schicksal von Peter Bock ist ungeklärt. Findet sich da ein Liebhaber?

Noch steht er da, der alte Neubau, abgeschlossen als extraterritoriales Gebiet. Nicht einmal die Schulleitung darf ihn betreten; denn er wird nicht mehr bewirtschaftet. Für so etwas gibt es in Deutschland klare Regeln. Es könnte ja jemand eine Staub-Allergie erleiden und Regress fordern.
Wann der Abbruch geschieht, ist unklar. Es ist die Rede von einer Feuerwehrübung. Andererseits könnte er noch einmal nützlich werden, denn der erste Stock im Altbau steht jetzt auf der Erneuerungsliste. Schauen wir mal. So oder so, eine 50jährige Ära geht zu Ende. Irgendwie schade.









Text und Fotos: Robert “Shorty” Klein